Sichere Fluchtwege im Hochhaus – Rauchschutz-Druckanlagen erfordern aufwändige Regelkonzepte

Mit der Gebäudehöhe steigen die Anforderungen an den Brandschutz. Jede Person muss sich darauf verlassen können, dass das Gebäude im Brandfall nicht zur tödlichen Falle wird. Für das neue One Forty West in Frankfurt mit 145 m Höhe sorgt eine Rauchschutz-Druckanlage mit anspruchsvollen Regelkonzepten für sichere Fluchtwege im Brandfall.

Das Hybrid-Hochhaus One Forty West in Frankfurt am Main ist mit seinen 145 m Höhe im doppelten Sinn das Highlight im neu entstandenen Senckenberg-Quartier. Wohnen, Hotel und Gastronomie – alles unter einem Dach. Im Erdgeschoss befinden sich Lobbys und ein Restaurant, auf den Etagen 2 bis 23 ein Hotel. Ab einer Höhe von 84 m beginnen die Wohnungen auf den Etagen 24 bis 40. Die gestaltprägenden Balkone ziehen sich in 3 km langen Bändern um den Turm, der aus der Feder des Architekturbüros CMA Cyrus Moser stammt und 2021 fertiggestellt wurde.

Mit der Gebäudehöhe steigen die Anforderungen an den baulichen Brandschutz. Jede Person muss sich darauf verlassen können, dass das von ihr betretene oder genutzte Gebäude im Brandfall nicht zur tödlichen Falle wird, denn im Brandfall entsteht sehr schnell ein toxisches Brandrauchgemisch, das in der Regel schon nach zwei bis vier Minuten lebensgefährdende Konzentrationen erreicht. Eine auf die gebäudespezifischen Anforderungen hin geplante Rauchschutz-Druckanlage (RDA) bietet Gebäudenutzern und der Feuerwehr sichere Flucht- und Rettungswege und minimiert das Haftungsrisiko für Eigentümer sowie Betreiber. Das gilt insbesondere für Büro- und Wohnhochhäuser, in denen tausende Menschen arbeiten und leben.

Saubere Luft in Fluchtwegen

Eine RDA hält, je nach Gebäudeart und -nutzung, die baurechtlich vorgeschriebenen und zu schützenden Flucht- und Rettungswege – z. B. Treppenräume, Feuerwehraufzugsschächte und Fluchttunnel – inklusive der angebundenen Vorräume – durch kontrollierten Überdruck rauchfrei. Dabei durchströmen die RDA-Systeme die Flucht- und Rettungsbereiche mit Frischluft und verhindern so das Eindringen von Rauch und toxischen Brandgasen. Bei geschlossenen Türen sorgt die RDA für einen kontinuierlichen Überdruck, sodass beim Öffnen der Tür eine sofortige Durchströmung der angrenzenden Bereiche erfolgt. Der Überdruck im Flucht- und Rettungsbereich wird ständig mit dem atmosphärischen Druck verglichen und nachgeregelt. Dabei ist zu gewährleisten, dass die Fluchttüren ins Treppenhaus jederzeit ohne großen Kraftaufwand per Hand zu öffnen und zu schließen sind. Bei geöffneten Fluchttüren muss die Luft aus dem Treppenhaus mit ausreichender Geschwindigkeit in die Nutzungseinheit der Brandetage strömen, sodass keine Rauchgase ins Treppenhaus gelangen können. Beim Öffnen und Schließen der Türen muss der Überdruck innerhalb weniger Sekunden wiederhergestellt sein.

Nur aktiv geregelte RDA-Systeme erfüllen die Ansprüche

RDA-Konzepte von STG-Beikirch basieren generell auf einer aktiven Regelung – das gilt auch für kleinere Anlagen in Gebäuden mit geringer Höhe. Bei Gebäuden mit mehr als 60 m Höhe oder bei niedrigeren mit einer komplexen Geometrie müssen die Umwelteinflüsse mit in die technische Umsetzung der RDA einbezogen werden. Auch Außentemperaturen und Jahreszeiten spielen bei der Regelung eine große Rolle.

Ausgangslage

Das One Forty West verfügt über ein sogenanntes Helixtreppenhaus und einen Feuerwehraufzug, die über zwei Abströmschächte in das RDA-Konzept eingebunden werden mussten. Somit stand schon in der Planung fest, dass nur ein aktiv geregeltes RDA-System den erhöhten Erfordernissen gerecht werden konnte.

Lösungskonzept

Die Grundlage des RDA-Konzeptes sind voll aktiv regelnde Systeme. So sind z.B. die an der Druckregelung beteiligten Klappen motorisch in Sekundenschnelle verstellbar und können innerhalb kürzester Zeit auf Druckveränderungen reagieren. Dadurch können Volumenströme von bis zu 75.000 m3/h regelungstechnisch beherrscht werden.

Wie beschrieben müssen Rauchschutz-Druckanlagen einen definierten Überdruck in den Fluchtwegen gegenüber der Gebäudeumgebung sowie eine Mindestdurchströmung durch geöffnete Türen sicherstellen. Neben den funktionalen Eigenschaften sind zunehmend auch die dynamischen Eigenschaften, also die Verzögerung bis zum Erreichen der Mindestdurchströmung und des Druckabbaus beim Schließen der Türen, zu beachten.

In Anlagen von STG-Beikirch werden diese Anforderungen durch eine stetige PID-Regelung mit unterlagerter Druckwertanalyse realisiert. Durch diese Regelung werden Umwelteinflüsse wie Sommer-/Winterbetrieb mit unterschiedlichen Temperaturen, veränderte Leckagen im Gebäude, thermische Einflüsse wie Auf-/Abtrieb, witterungsbedingte Schwankungen im barometrischen Druck usw. bis zu den Regelgrenzen ausgeregelt.

Durch die dynamische Vier-Quadranten-Betrachtung des Druckverlaufs mit mathematischer Analyse von Scheitelpunkten und Steigung werden öffnende oder schließende Türen aufgrund der Druckänderungen erkannt und entsprechende steuerungstechnische Maßnahmen ausgeführt. Damit erreichen die Anlagen eine gute Dynamik trotz wechselnder Bedingungen im Gebäude. Sofern die baulichen Gegebenheiten entsprechend den Richtlinien ausgelegt sind, werden aktuelle Vorgaben erreicht bzw. unterschritten.

Um im One Forty West die extrem differierenden thermischen Verhältnisse für den Sommer- und Winterfall regelungstechnisch sicher in den Griff zu bekommen, wurde erstmals die von STG-Beikirch neu entwickelte Regelungssoftware „Fast Pressure Adjustment“ verwendet. Sie ermöglicht Regelungszeiten für Druckspitzenabbau und Zuluftaufbau innerhalb der nach DIN EN 12101-6 geforderten Zeiten.

Weiterhin sollten Kabelwege und -querschnitte möglichst gering gehalten werden, daher wurden insgesamt 46 Etagenverteiler eingesetzt. Diese sind über einen selbstüberwachten LON-Ringbus miteinander verbunden und steuern die Entrauchungs- und Überströmklappen sowie die Differenzdrucksensoren an. Diese Ringstruktur sowie die implementierten „Watchdogs“ und die zu 100 % redundant ausgeführten Zuluft- und Abluftventilatoren gewährleisten eine hohe Ausfallsicherheit und runden das RDA-Konzept ab.

 Annik Erdmann und Frank Fürstenau, STG-Beikirch, Lemgo
 

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